Agentic AI steht für die nächste Entwicklungsstufe der Künstlichen Intelligenz: Systeme, die eigenständig handeln, lernen und sich anpassen. Der Artikel erläutert, wie diese Technologie funktioniert, welche technischen Grundlagen sie nutzt und warum Governance, Sicherheit und kontinuierliche Überwachung zentrale Faktoren für ihren Erfolg sind.
Von reaktiver zu autonomer Intelligenz
Agentic AI beschreibt den Übergang von passiver, befehlsabhängiger KI zu aktiven Systemen, die selbstständig Entscheidungen treffen und Strategien entwickeln können. Während klassische KI-Agenten starre Prozesse automatisieren, verfolgt Agentic AI Ziele dynamisch, passt sich an neue Umstände an und lernt aus jeder Interaktion.
Ihr Handlungszyklus besteht aus vier Phasen: Wahrnehmen, Analysieren, Handeln und Lernen. Dabei verarbeitet die KI Daten aus unterschiedlichen Quellen, interpretiert Ziele mithilfe eines Large Language Models, führt Handlungen über verknüpfte Tools oder Dienste aus und optimiert ihre Strategien durch Feedback. Dieser kontinuierliche Lernprozess macht sie zu einem aktiven, sich selbst verbessernden System.
Technologische Grundlagen und Modelltrends
Technisch basiert Agentic AI auf Architekturen, die an Microservices erinnern. Einzelne spezialisierte Module kommunizieren über definierte Protokolle, orchestriert durch zentrale Steuerungseinheiten. Dabei kommen häufig Small Language Models (SLMs) zum Einsatz, die kleinere Aufgaben schneller und kosteneffizienter bearbeiten können.
Ein Beispiel ist Nvidias Nemotron, ein auf Llama basierendes Modell, das speziell für Agentic-Anwendungen optimiert wurde. Der Trend geht zu kleineren, effizienteren Modellen, die lokal betrieben werden können und weniger Rechenleistung benötigen. Gleichzeitig gewinnen spezialisierte Modelle an Bedeutung, etwa für Cybersicherheitszwecke oder wissenschaftliche Analysen, die auf bestimmte Datensätze abgestimmt sind.
Lernen, Gedächtnis und Vertrauen
Ein zentraler Unterschied zu herkömmlichen Agenten liegt im Gedächtnis. Agentic-AI-Systeme speichern relevante Informationen und können daraus lernen – ein sogenanntes episodisches Gedächtnis. Dieses erlaubt es, Entscheidungen kontextabhängig zu treffen und Erfahrungen aus vergangenen Aufgaben zu berücksichtigen. Dadurch werden die Systeme nachvollziehbarer und vertrauenswürdiger.
Gleichzeitig entsteht ein neues Risiko: Wenn fehlerhafte oder manipulierte Informationen ins Gedächtnis gelangen, kann das Verhalten der KI langfristig beeinträchtigt werden. Deshalb müssen gespeicherte Daten überprüfbar, zugänglich und sicher verwaltet werden. Transparente Governance-Strukturen sind entscheidend, um Missbrauch und Fehlentwicklungen zu verhindern.
Kommunikation und Zusammenarbeit der Agenten
Damit mehrere Agenten koordiniert zusammenarbeiten können, werden standardisierte Protokolle genutzt. Das Model Context Protocol (MCP) ermöglicht es Sprachmodellen, externe Werkzeuge einzubinden und strukturierte Schnittstellen zu nutzen. Das Agent-to-Agent Protocol (A2A) regelt die sichere Kommunikation zwischen autonomen Agenten.
Diese Standards erlauben es, modulare Systeme zu schaffen, in denen spezialisierte Einheiten parallel arbeiten. Für strukturierte Datenausgabe kommen oft kleine Modelle wie Osmosis-Structure-0.6B zum Einsatz, die unstrukturierten Text in JSON-Formate überführen – eine essenzielle Voraussetzung für Nachvollziehbarkeit und Stabilität in komplexen Agentennetzwerken.
Betrieb, Qualität und Sicherheit
Der Betrieb von Agentic-AI-Systemen ähnelt dem von Microservices. Orchestratoren, Container und Observability-Tools überwachen Leistung, Laufzeit und Qualität. Dennoch reicht technische Infrastruktur allein nicht aus. Autonome Systeme dürfen nicht als Fire-and-Forget-Lösungen verstanden werden.
Da die Zuverlässigkeit mit zunehmender Laufzeit abnehmen kann, müssen Systeme kontinuierlich bewertet werden. Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Erfolgswahrscheinlichkeit bei langen Aufgaben exponentiell verringert – ein Effekt, der an radioaktiven Zerfall erinnert. Qualitätskontrolle und Monitoring sind daher unverzichtbar, um Driften oder Fehlentscheidungen frühzeitig zu erkennen.
Sicherheitsrisiken ergeben sich aus der Kombination vieler Komponenten: LLMs können halluzinieren, Protokolle anfällig für Manipulationen sein und Gedächtnisse fehlerhafte Informationen speichern. Zudem multipliziert die hohe Interaktionsfrequenz die Wirkung kleiner Fehler. Deshalb müssen Monitoring, Feedback-Schleifen und menschliche Aufsicht integraler Bestandteil jedes Agentic-AI-Systems sein.
Fazit
Agentic AI ist ein bedeutender Schritt hin zu selbstständiger, reflektierender künstlicher Intelligenz. Sie verspricht Effizienz, Flexibilität und Lernfähigkeit – erfordert jedoch strikte Kontrolle, transparente Governance und technische wie ethische Verantwortung. Nur wenn Vertrauen, Nachvollziehbarkeit und Sicherheit gewährleistet sind, kann Agentic AI ihr volles Potenzial entfalten und den Weg in eine Ära wirklich autonomer digitaler Systeme ebnen.
