Nachdem Sie passende KI-Einsatzfelder identifiziert und den Reifegrad Ihres Unternehmens bewertet haben, folgt der entscheidende Schritt: Wie wird aus der Idee ein realisierbares, regelkonformes und skalierbares KI-Projekt?

In dieser Phase geht es um die Machbarkeit – technisch, geschäftlich und organisatorisch. Denn nur wer weiß, ob und wie ein Use Case realistisch umsetzbar ist, kann Zeit, Budget und Vertrauen zielgerichtet investieren.


Geschäftliche Machbarkeit – Lohnt sich der Use Case wirklich?

Bevor die Technik im Vordergrund steht, wird die Business Feasibility geprüft: Lässt sich der geplante KI-Einsatz wirtschaftlich tragen und strategisch rechtfertigen?

Die Analyse erfolgt entlang der vier Schlüsselfaktoren Market, Business, Tech und People.

Market – Wie sieht das Marktumfeld aus?

Ein erfolgreicher KI-Use Case muss einen echten Marktbedarf bedienen. Hier helfen klassische Methoden wie Marktgrößenanalysen und Wettbewerbsbenchmarks:

  • TAM (Total Addressable Market): Wie groß ist der gesamte Markt?
  • SAM (Serviceable Available Market): Welcher Teil davon ist erreichbar?
  • SOM (Serviceable Obtainable Market): Welchen Marktanteil können wir realistisch gewinnen?

Praxisbeispiel: Ein Softwareanbieter plant eine KI-basierte Bewerberplattform. Die Analyse zeigt, dass der Markt für Recruiting-Software wächst, aber stark umkämpft ist. Differenzierung ist nur über Nischen (z. B. KI für Handwerksbetriebe) möglich.

Business – Was sagt das Geschäftsmodell?

Im nächsten Schritt wird das Geschäftsmodell durchleuchtet. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:

  • Welche Kundenprobleme (Customer Pains) werden gelöst?
  • Was ist der Unique Selling Point (USP) der KI-Lösung?
  • Wie sieht die Kosten- und Erlösstruktur aus?

Dazu gehört auch eine Finanzanalyse mit GuV-Prognosen, Cashflow-Betrachtung und Break-even-Analyse.

Praxisbeispiel: Ein Fertigungsunternehmen entwickelt eine KI zur Energieoptimierung. Die Berechnungen zeigen: Einsparungen von 15 % Energieverbrauch amortisieren das Projekt in unter 18 Monaten. Das Projekt wird priorisiert – Business und Nachhaltigkeit passen zusammen.

People – Wer macht’s möglich?

Die besten Ideen scheitern an fehlenden Rollen und Verantwortlichkeiten. Deshalb wird geprüft:

  • Gibt es Fachkräfte für Data Science, IT und Prozessmanagement?
  • Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen und IT organisiert?
  • Besteht Bereitschaft zur Veränderung (Change Readiness)?

Praxisbeispiel: Ein Krankenhaus will KI zur Diagnostik einführen. Die technische Idee überzeugt – doch ohne Schulung und medizinische Einbindung fehlt Akzeptanz. Fazit: Technologie ist nie allein entscheidend, Menschen sind der Schlüssel.

Technische Machbarkeit – Vom Konzept zur Technologieauswahl

Hier geht es um die Frage: Welche Technologien, Tools und Daten sind nötig, um den Use Case technisch zu realisieren?

Informationsbedarfsanalyse

Zuerst wird ermittelt, welche Informationen und Daten zur Umsetzung erforderlich sind.

AI Building Block Categorization

Die Lösung wird in funktionale Bausteine (AI Building Blocks) zerlegt: Computer Vision, NLP, Data Analytics, Predictive Modelling.

Praxisbeispiel: Eine Versicherung erkennt, dass ihre Lösung sowohl Textanalyse als auch Bilderkennung erfordert – also mehrere AI-Bausteine kombiniert.

Technologie-Scanning

Breite Suche nach passenden Technologien: kommerzielle Anbieter, Start-ups, Open-Source-Lösungen.

Technologie-Scouting (Deep Dive)

Detaillierte Analyse vielversprechender Technologien: Reifegrad, Schnittstellen, Integrationsaufwand.

Make or Buy Entscheidung

Zum Abschluss: Eigenentwicklung (Make) oder Kauf (Buy)?

Praxisbeispiel: Ein Energieversorger entwickelt Prognosemodelle intern, nutzt aber Cloud-Infrastruktur extern – Kontrolle und Skalierbarkeit in Balance.

Governance & Organisation – Das Fundament für nachhaltige KI

Data Governance – Ordnung in den Daten schaffen

Ein strukturiertes Datenmanagement ist die Basis für Vertrauen und Skalierbarkeit:

  • Policies: Wie werden Daten erhoben, gespeichert, genutzt?
  • Roles: Wer ist für Qualität und Sicherheit verantwortlich?
  • Processes: Wie werden Daten gepflegt und versioniert?

Praxisbeispiel: Ein Handelskonzern führt ein „Data Steward“-Modell ein – jede Abteilung hat eine verantwortliche Person für Datenqualität. Ergebnis: Weniger Redundanz, mehr Vertrauen in die Datenbasis.

Regulatorischer Rahmen – KI im Einklang mit Gesetzen

Mit dem EU AI Act müssen Unternehmen ihre Systeme klassifizieren:

  • ❌ Unacceptable Risk – verboten
  • ⚠️ High Risk – streng reguliert
  • 🟡 Limited Risk – Transparenzpflicht
  • 🟢 Minimal Risk – kaum Vorgaben

Praxisbeispiel: Ein HR-Tech-Start-up prüft, ob sein Recruiting-Algorithmus „High Risk“ ist. Ergebnis: Anpassung der Datenerhebung, Transparenzfunktionen, Audit-Trail. Compliance wird zum Wettbewerbsvorteil.


Fazit: Von der Idee zum skalierbaren KI-System

Diese Phase verbindet Wirtschaftlichkeit, Technik und Verantwortung. Sie stellt sicher, dass KI-Projekte nicht nur machbar, sondern sinnvoll, nachhaltig und rechtskonform sind.

👏 Zusammengefasst:

  1. Wirtschaftliche Tragfähigkeit prüfen
  2. Technische Machbarkeit analysieren
  3. Governance & Compliance verankern

Eine gute KI-Strategie endet nicht mit dem Prototypen – sie beginnt mit Vertrauen, Transparenz und Verantwortung. 🚀